In einem Dorf hatte es lange nicht geregnet. Alle Gebete und Prozessionen hatten nichts genützt, der Himmel blieb verschlossen. In der größten Not wandte sich das Dorf an den großen Regenmacher. Er kam und bat um eine Hütte am Dorfrand und um Brot und Wasser für fünf Tage. Dann schickte er die Leute zu ihrer täglichen Arbeit. Am vierten Tag regnete es. Die Menschen kamen jubelnd von ihren Feldern und Arbeitsplätzen und zogen vor die Hütte des Regenmachers, um ihn zu feiern und nach dem Geheimnis des Regenmachens zu fragen. Er antwortete ihnen: „Ich kann keinen Regen machen“, „aber es regnet doch“, sagten die Leute. Der Regenmacher erklärte ihnen: „Als ich in euer Dorf kam, sah ich die äußere und innere Unordnung. Ich ging in die Hütte und brachte mich selber in Ordnung. Als ich in Ordnung war, kamt auch ihr in Ordnung und als ihr in Ordnung wart, kam auch die Natur in Ordnung und als die Natur in Ordnung war, hat es geregnet.“ (Quelle unbekannt)
Eine Geschichte des Regenmachens…? In diesen Tagen in denen es hierzulande fast ohne Unterbrechung regnet und viele Menschen mit den Wassermassen zu kämpfen haben und viel Leid durch den Überfluss an Wasser entsteht?
Natürlich geht es uns nicht um die Botschaft des Regenmachens, sondern ganz besonders liegt in dieser Geschichte die Kraft und die Wechselwirkung des Einzelnen auf das Ganze. Wir sehen in den Nachrichten gerade so viele Menschen, die mit vereinten Kräften gegen die Fluten kämpfen. Zugleich hören wir auch von Menschen, die sich nicht im Sinne einer gemeinsamen Wirkkraft, die sich nicht im Sinne einer Ordnung, verhalten. Wie auch in der Geschichte, wirkt es, als ob etwas aus der Ordnung geraten ist – in der Natur, im Einzelnen und in der Gemeinschaft. Ein Gefühl, das sich in den letzten Jahren immer mehr zu bestätigen scheint.
Und natürlich stellt sich hier die Frage, wohin wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Hören wir auf die lauten Stimmen, auf diejenigen mit den scheinbar einfachen Antworten? Oder wahren wir die Fähigkeit auf die Zwischentöne zu achten, uns der Komplexität zuzuwenden und in Netzwerken, d.h. in einer umfassenden Verbundenheit zu fühlen?
Und damit kommen wir zum springenden Punkt in der Geschichte des Regenmachers. Sie zeigt uns auf, wie sehr die Ordnung des Ganzen von jedem einzelnen Teilchen abhängt. Es kommt auf jede Einzelne und jeden Einzelnen an! Die Dissonanz, die wir im Außen erkennen, könnte ein Spiegel unserer eigenen Unordnung sein. Und ja, manchmal sehnen wir uns vielleicht nach der einfachen Antwort und der schnellen Lösung, aber wenn wir ehrlich zu uns sind, ahnen wir auch, dass es diese nicht gibt. Die Dinge und Zusammenhänge sind nicht unbedingt kompliziert, aber immer komplex! Alles ist miteinander verwoben und verbunden und so wirkt unsere Disbalance ebenso wie auch unsere Ordnung auf das große Ganze. Die westliche Philosophie hat in den 1970er Jahren den Begriff des „rhizomatischen Denkens“ geprägt. Abgeleitet von einem Wurzelgeflecht, einem Rhizom, geht es hier um ein Denken und Fühlen in Netzwerken und offenen Strukturen. Man erlebt sich als Teil des Ganzen und damit auch als ein kreativer Teil einer Lösung. Man beginnt zu kreieren anstatt nur zu kritisieren. Man beginnt bei sich selbst zu erkunden, wo etwas nicht der Ordnung entspricht, geht die Dinge selbstwirksam an und bewegt sich von dort aus zu weiteren heilenden Netzwerken. Dabei ist es sehr entscheidend sich nicht nur in der eigenen Ressonanzblase aufzuhalten, sondern im Sinne eines Netzwerkes offen zu bleiben auch für andere Sichtweisen, sozusagen im Mitgefühl für das Ganze zu bleiben. So wird die Summe der Einzelnen potenziert und neue Wege und Lösungen können sichtbar werden.
Die Kraft, die dabei vom Einzelnen ausgeht wird wunderbar in dem Brückenbild der Ameisen zum Ausdruck gebracht.
Nur in dieser gemeinsamen Kraft ist es den Ameisen möglich „die Spaltung“ zu überwinden und damit eine „Brücke zu schlagen“. Menschlich gesehen braucht es dafür Kontakt zu der eigenen Ordnung bei entsprechender Selbstwirksamkeit, Offenheit und das Vertrauen in ein gemeinsam ordnendes Netzwerk.
In einem Text der Hopi heißt es: „Wir sind diejenigen auf die wir gewartet haben!“
Ganz in diesem Sinne wünschen wir Allen einen guten Start in das neue Jahr 2024!